Polnische Gäste genossen ein abwechslungsreiches Programm
Es ist ruhig in der Aula. Auf der Bühne stehen sich polnische und deutsche Schüler im Kreis gegenüber und es ist kein Wort zu hören. Alle blicken konzentriert zur Lehrerin, die mit in der Runde steht und mehrere kleine Plakate in ihren Händen hält. Nach einem längeren Moment des Schweigens hebt sie einen ihrer weißen Zettel hoch, worauf einige Schüler sofort grinsen müssen, während andere noch die Stirn runzeln. Dann setzt sich der Kreis in Bewegung und die Schüler schreiten mit großen, wippenden Schritten und schwenken dabei ausufernd ihre Arme. Das sieht nicht nur für die Zuschauer im Publikum lustig aus, auch die Darsteller auf der Bühne scheinen ihren Spaß zu haben, denn es wird viel gekichert und gelacht. Welche Regieanweisungen Inge Borowski, Lehrerin für Darstellen und Gestalten, mittels ihrer Zettel den Schülern mitteilt, bleibt den Zuschauern zunächst verborgen und so wird hier mitgeraten, was denn auf der Bühne gerade dargestellt werden soll. „Das sind jetzt nur die Aufwärmübungen, gleich wollen wir gemeinsam den Geistertanz versuchen“, erklärt Borowski und auch diese Aufgaben meistern die Schüler und Schülerinnen – und das fast ganz ohne Worte.
Dass eine gute Verständigung also auch ohne Worte funktionieren kann, ist eine Erfahrung, die die Teilnehmer des diesjährigen Schüleraustausches mit Ratibor (Raciborz) auch außerhalb dieser „Kumuda“-Schnupperstunde machten. Denn die meisten „Schlebuscher“ sprachen kein oder nur wenig Polnisch und auch auf polnischer Seite musste man manchmal nach den richtigen Worten suchen. „Aber irgendwie versteht man sich dann doch, notfalls kann man es auf Englisch versuchen, wenn einem eine Vokabel auf Deutsch nicht einfällt“, erzählt Adam Hajduczek. Der 14-jährige Schüler aus Ratibor ist bereits zum zweiten Mal dabei und wie im Vorjahr vom abwechslungsreichen Programm begeistert. Er ist einer von zwölf polnischen Schülern und Schülerinnen des „Ratiborer Gymnasiums Nr. 2“, die eine Woche lang in Leverkusen zu Gast waren.
Natürlich besichtigte man den Kölner Dom, darüber hinaus ging es in den Zoo, ins Schokoladenmuseum und ins Phantasialand nach Brühl. Leverkusen kam natürlich nicht zu kurz und wurde mit einer Stadtrundfahrt und Stadtralley erkundet, man spielte Mini-Golf im Neuland-Park und fuhr von hier aus mit dem Boot nach Rodenkirchen und zurück. „Ich fand schön, dass wir viel besichtigt haben, aber zwischendurch immer noch genug Zeit zum Shoppen hatten oder um etwas mit der Gastfamilie und der Austauschschülerin gemeinsam zu unternehmen“, meinte Patrycija Newera (14). Über die Frage, was ihr denn besonders in Deutschland gefalle, muss sie nicht lange nachdenken: „Das Phantasialand!“
Mit dem aufwändigen und abwechslungsreichen Programm revanchierte sich die deutsche Seite für den vorangegangenen Aufenthalt in der polnischen Partnerstadt Ratibor (Raciborz): Bereits im März waren die zwölf Schüler und Schülerinnen dort in polnischen Gastfamilien untergebracht und man lernte sich bei vielen gemeinsamen Aktivitäten wie Tischtennis, Bowling, Sightseeing und Ostereier-Bemalen kennen. „Mittlerweile verstehen Justyna und ich uns echt gut und ich bin froh, dass ich beim Austausch mitgemacht habe“, erklärt Lisa Frielingsdorf aus der 7g. Genau das ist auch das erklärte Ziel der Organisatoren des Schüleraustausches mit Polen, wie Malgorzata Hemke erläutert: „Polen ist unser Nachbarland, über dessen Geschichte, Kultur und Menschen viele unserer Schüler nur wenig wissen. Das wollen wir mit unserem Austausch ändern und durch die entstehenden Freundschaften hoffen wir, dass wir auch die Völker näher bringen und eventuell bestehende Vorurteile abbauen.“ Bei der Begrüßung der polnischen Schülergruppe in der Aula bezeichnete sich auch Schulleiter Bruno Bermes als einen „großen Fan“ von Jugendpartnerschaften: „Ich bin dankbar, dass sich sowohl Eltern als auch Schüler auf ein solches Abenteuer einlassen, denn das ist ein Zeichen von Vertrauen und die Eindrücke prägen einen oft fürs ganze Leben, wenn man mal die Perspektive wechselt.“
Seit 2004 organisiert Lehrerin Malgorzata Hemke den Austausch, in diesem Jahr zusammen mit dem Kollegen Dirk Rodehüser, doch Ermüdungserscheinungen scheint es auch nach sechs Jahren noch nicht zu geben: „Es macht auch viel Spaß, weil die Kontakte zur Partnerschule bereits so vertieft wurden und man sich dank der guten Zusammenarbeit immer wieder auf ein Wiedersehen freut.“ Auf polnischer Seite ist die Deutschlehrerin Patrycja Stefanowska zusammen mit der Kollegin Sylwia Nowakowska für die Organisation verantwortlich und sie stimmt Hemke zu: „Es ist eine gewachsene Beziehung und die Kooperation ist gut, um sich die Kultur gegenseitig näher bringen zu können.“ Dass diese hehren Ziele des Kulturaustausches und des Abbaus von Vorurteilen nicht aus der Luft gegriffen sind, kann Adam bestätigen, auch wenn er sich da etwas bodenständiger als die Lehrer ausdrückt: „Bei uns in Polen heißt es oft, dass die Deutschen nicht sehr gastfreundlich sind, aber das ist dummes Gerede.“