Schüler*innen beeindruckten mit szenischer Lesung zum Holocaust-Gedenktag
Das Ensemble „Gegen das Vergessen“ (von links): Emilia Bommert, Marie Kirschstein, Robert Lankenau, Viola Lenz, Sonja Wetzel, Florian Eberwein
Am 27. Januar 1945 erreichten Voraustruppen der Roten Armee auf ihrem Vorstoß einen Ort in Polen, den die Deutschen Auschwitz genannt hatten. Die geflohene Wehrmacht und SS hatten versucht, alle Spuren der unglaublichen Verbrechen, die dort begangen worden waren, zu beseitigen. Es hat nicht ganz geklappt: Die entsetzten Befreier trafen auf ausgemergelte Gefangene, darunter zahlreiche Kinder, die kaum die Kraft fanden, den Rettern zu danken. Das ganze Ausmaß des Schreckens wurde erst nach und nach bekannt: Allein im sogenannten „Stammlager Auschwitz-Birkenau“ wurden über eine Millionen Menschen systematisch gefoltert und ermordet. Unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft starben allein ca. sechs Millionen Juden.
Die Verbrechen in deutschem Namen stellen in ihrer Monstrosität ein schwieriges Erbe dar, vor allem angesichts der Tatsache, dass es in der Bundesrepublik 75 Jahre nach dem Ende des Krieges wieder zu rassistischen Ausfällen, antisemitischen Beleidigungen und Hetze gegen Ausländer kommt. Grund genug für sechs Schüler*innen der Q2, sich des Themas anzunehmen und in einer szenischen Lesung von dem Irrsinn und den Schrecken dieses dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte zu berichten.
Emilia Bommert, Florian Eberwein, Marie Kirschstein, Robert Lankenau, Viola Lenz und Sonja Wetzel nahmen sich Texte bekannter und nicht so bekannter Autoren vor und trugen sie in der Bibliothek vor. Dabei schlüpften sie auch in andere Rollen, wenn es zum Beispiel um „Die jüdische Frau“ von Bertolt Brecht ging, die nicht nur ihren Freunden, sondern auch dem Ehemann erklären muss, warum sie im Deutschland des Jahres 1935 nicht mehr bleiben kann, sondern ins Ausland „reisen“ muss. Dass es sich dabei eigentlich um eine Flucht handelt, wird dabei nur zwischen den Zeilen klar. Oder wenn ein Ehepaar im Köln des Jahres 1936 ihren eigenen Sohn für einen Spitzel der Nazis hält, vor dem man nicht offen sprechen kann.
Besonders eindringlich geriet dann der Ausschnitt aus dem dokumentarischen Theaterstück „Die Ermittlung“ des deutsch-schwedischen Autoren Peter Weiss, in dem er akribisch den Auschwitz-Prozess des Jahres 1963 aufgearbeitet hat. Darin kommen zahlreiche Zeugen zu Wort, die so sachlich wie es nur in einem Strafprozess möglich ist von den Gräueltaten der Wächter im KZ berichteten, und wenn dann die jungen Darstellerin und Darsteller von den Folterungen, den Peinigungen, den willkürlichen Mordenberichten, ist es mucksmäuschenstill in der Bibliothek. Dem Ensemble gelang es dabei, den schmalen Grat zwischen angemessener Betroffenheit und gehöriger Wut im Bauch zu finden.
Und am Ende ging es dann auch um deutsche Verantwortung. Wenn es auf der Welt Krieg und Verfolgung gibt – hat dann nicht gerade das deutsche Volk, der deutsche Staat eine besondere Verantwortung? Zwei Wege tun sich dann auf: Hilfe leisten den Verfolgten und Vertriebenen, Schutz bieten in einem der reichsten Länder der Welt. Und entschlossen Nein sagen, wenn die geistigen Brandstifter wieder unterwegs sind und zwölf Jahre Nazi-Terror als „Fliegenschiss in der tausendjährigen erfolgreichen deutschen Geschichte“ (Alexander Gauland, AfD) abtun. Das war die starke Botschaft, die von diesem Abend ausging. Der Refrain aus Konstantin Weckers Lied „Sage nein“ begleitete die nachdenklichen, beeindruckten Besucher auf dem Weg nach Hause:
Ob als Penner oder Sänger,
Banker oder Müßiggänger,
Ob als Priester oder Lehrer,
Hausfrau oder Straßenkehrer,
Ob du sechs bist oder hundert,
Sei nicht nur erschreckt, verwundert,
Tobe, zürne, misch dich ein:
Sage nein!